Bereits Anfang Dezember machte einen Vorschlag von SAP-Chef Christian Klein im Handelsblatt die Runde und zwar die Einführung eines neuen Mitarbeiterbewertungssystems. Das System sieht ein Gruppierung der Mitarbeiter in Performer, Achiever oder Improver vor und teilt somit die Belegschaft in Leistungsträger oder eben nicht. Wer gute Noten erhält, soll für Bonuszahlungen stärker berücksichtigt werden. Und wer schlecht bewertet wird, soll einen „Performance Improvement Plan“ verdonnert bekommen, was wohl gezielte und verpflichtende Coachings beinhalten soll.
Bislang setzte SAP auf einen kontinuierlichen Dialog zur persönlichen Entwicklung zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden. Das Prinzip ist als SAP-Talk bekannt. Kritiker sehen die Methode als Variante des umstrittenen Stack-Rankings, das in den 1980er-Jahren in den USA durch den GE-Chef Jack Welch bekannt wurde. Sie basiert auf der Annahme, eine Firma verbessert ihr Personal, indem sie sich jährlich von dem leistungsschwächsten Teil trennt.
Dass es wirklich zu Kündigungen kommt, scheint zumindest in Deutschland eher unwahrscheinlich, aufgrund des hohen Kündigungsschutzes. Allerdings sitzen rund 1/10 der Beschäftigten von SAP in den USA und dort herrschen andere Regeln, was den Druck auf die Mitarbeiter enorm erhöhen könnte. Ob das neue Bewertungssystem auch in Deutschland kommt, ist offen. Die Einführung ist hierzulande vom Betriebsrat mitbestimmungspflichtig.
SAP Bewertungssystem Mitarbeiter – Argumente
Im nächsten Schritt möchte ich mit Dir auf die Argumente schauen, die die Pro- und Contra-Seite seitdem der Vorschlag in der Welt ist, so austauschen.
Argumente Pro und Contra:
- Das System setzt die Low-Performer systematisch unter Druck
Mit diesem Benotungssystem will SAP dem Vernehmen nach drei bis fünf Prozent der Belegschaft in der unteren Kategorie einordnen. Wie schon erwähnt, soll die Gruppe der Improver, verpflichtende Coachings erhalten. Aber vielleicht ist dies auch der erste Schritt, um diese Gruppe zur Eigenkündigung zu überreden.
Das ist sicherlich eine Frage, wie konsequent ein solches System gelebt wird. Fakt ist, dass die Eingruppierung die Leistung transparent macht – positiv und negativ. Das bedeutet aber nicht, dass man per se zur Kündigung getrieben wird.
Systematischer Druck kann auf vielen Ebenen passieren und – machen wir uns nichts vor – es spricht sich schnell herum, wenn 3-5 % eines Bereiches in der unteren Gruppe landen. Wer will dann noch mit Improvern zusammenarbeiten? Wie verhalte und kommuniziere ich mit diesen Menschen? Ziehen wir dann noch an einem Strang?
Ein solches Label wird sicherlich zu Anpassungen im Verhalten führen.
Ein Label sorgt für Anpassungen im Verhalten. Nicht immer nur positiv.
Wenn ich das Argument der Kündigung sehe, dann finde ich einen Aspekt viel spannender: Was passiert, mit der Improver-Quote in Jahr 2 oder 3. Also was passiert, wenn ich diese Quote nicht senke? Verliere ich als Führungskraft meinen Job?
Und überhaupt: Gibt es ein Team, dass keine Improver haben kann? Also rein statistisch gesehen à Ich denke da an die Gausche Normalverteilung.
Konsequent zu Ende gedacht, braucht es Zielvereinbarungen für Führungskräfte, die Improver-Quote gen Null zu entwickeln. Aus meiner Sicht führt das zu einer ähnlich absurden Diskussion, wie beim Thema Krankheit. Dort werden die Leute im Zweifel mit dem Kopf unter dem Arm ins Büro geholt, damit die Quote stimmt.
Ich glaube also, dass es die Unternehmenskultur schlechter macht, d.h. skeptischer, fehlerintoleranter, ängstlicher und weniger Ergebnisorientiert.
SAP Bewertungssystem Mitarbeiter – Einordnung sorgt für Klarheit
- Ein Bewertungssystem schafft Klarheit
Klarheit im Sinne von: Wir setzen voll auf Leistung und wem das nicht passt, kann ja gehen.
Wenn das immer so einfach wäre, bräuchten wir solche Systeme wahrscheinlich gar nicht. Die bisherigen Kennzahlen, wie Umsatz, Ebit, Neuaufträge usw. sind eigentlich deutlich genug, um Leistung zu bewerten.
Allerdings kommen wir somit zur Gretchen Frage: Was ist eigentlich gute Leistung?
Ergebniskriterien, wie Umsatz, geben keine Aussage über besseres Verhalten. Außerdem sind sie durch äußere Einflüsse kontaminiert. Ich brauche also immer auch eine Aussage darüber, was ich anders bzw. besser machen sollte. Das sind die sog. Verhaltenskriterien. Dazu gehören natürlich die Leistungen in Bezug auf die Aufgabe. Und dann stellt sich zwangsläufig die Frage, wer setzt hier welche Standards? Bekommen alle die gleichen Standards oder gelten anforderungsbezogene?
Auch wenn es eine Detailfrage sein mag, ist sie die Entscheidende, um die sich jede Diskussion am Ende drehen wird. Deshalb ist das mit der Klarheit eine Sache und baut eine Brücke zum nächsten Argument und zwar:
- Die Low Performer ruhen sich auf den Leistungen der High Performern aus.
Auch das ist keine Diskussion, die Du erst seit gestern kennst. Allerdings gewinnt diese Perspektive durch die Diskussionen um Homeoffice, Remote Arbeit und den Rückholaktionen mancher Firmen an Geschwindigkeit.
Ich halte mal fest: Es gab schon immer faule Säcke. Und alle Unternehmen haben ein Problem damit, faule Äpfel loszuwerden.
Über den starken Kündigungsschutz möchte ich nicht diskutieren. Aber über eine konsequente Umsetzung einer Leistungsbeurteilung. In Fachkreisen nennt man das Tendenz zur Milde. Aus Angst vor einer negativen Reaktion bewertet man einen Mitarbeiter besser als er oder sie ist und erspart sich somit Ärger, einen gelben Schein oder Dienst nach Vorschrift.
Das ist aus meiner Sicht ein Anhaltspunkt, den man mit Coachings bearbeiten sollte. Neben der bloßen Bewertungsthematik geht es auch um den Punkt Feedback. Wie erkläre ich meinem Mitarbeiter, dass er oder sie nicht das leistet, was ich vom ihm/ihr erwarte?
Viele Führungskräfte erläutern das möglichst autoritär, denn der Mitarbeiter scheint es nur nicht richtig gehört zu haben. Es geht aber um Zuhören, Fragen, Verstehen. Es geht um echte Wertschätzung und Unterstützung. Auch das gehört zum Werkzeugkasten einer Führungskraft.
Solange Du das nicht verstehst, wird dir jedes Bewertungssystem Bauchschmerzen machen.
Ich möchte Dir aber auch noch ein paar Gedanken auf den Weg geben, die aus meiner Sicht in der Diskussion zu kurz kommen.
SAP Bewertungssystem Mitarbeiter – Achtung vor sozial erwünschten Bewertungen
- Es kommt zu sozial erwünschten Bewertungen
Ein Thema, das ich eben schon angeschnitten habe, waren die Bewertungsfehler. Die Tendenz zur Milde habe ich eben erläutert. Das Ganze geht natürlich auch in die andere Richtung, dann spricht man von der Tendenz zur Härte.
Aus meiner Erfahrung wird ein Bewertungssystem, dass Druck erzeugen soll, dazu führen, dass die Führungskräfte ihren Bewertungsstil anpassen werden. Anmerkungen, die in meinen Trainings zum Thema Bewertungen kommen, sind: „Aber was soll ich machen? Ich habe nur High-Performer.“ „Wenn ich einer Person eine schlechte Bewertung gebe, dann bekomme ich den gelben Schein“ „Die haben schon immer X % gekriegt, den kann ich jetzt nichts wegnehmen.“
Ich bin mir sicher, dass die Bewertungen durch ein solches System positiver werden. Der Grund ist einfach: Ich kann am Ende des Tages den langen Kampf gegen Mitarbeiter, BR, Personal und im Zweifel mit Anwalt und Gericht, nur sehr sehr schwer durchhalten. Jede Führungskraft wird sich zweimal überlegen, ob sich diesen Stress antut. Insbesondere dann, wenn der Rückhalt in den oberen Etagen gering bis gar nicht vorhanden ist.
- Hire and Fire Mentalität bringt niemanden langfristig nach Vorne.
In meinen Trainings spreche ich über das Reifegradmodell nach Hersey und Blanchard. Der Reifegrad setzt sich zusammen aus der Motivation – also der psychischen Reife – sowie der Fähigkeit – also der Arbeitsreife – eines Mitarbeiters. Die Theorie geht von einer Entwicklung der Reife im Laufe der Zusammenarbeit aus. Eingeordnet wird auf einer Skala von niedrig bis hoch, vereinfacht wird dies durch die Einteilung in vier Kategorien.
Das Modell vereint Elemente aus aufgabenorientiertem und mitarbeiterorientiertem Führungsstil. Bei niedrigen Reifegraden des Personals legt der Stil mehr Augenmerk auf die Aufgaben, mit steigender Reife verlegt er sich dann immer mehr auf einen Mitarbeiterfokus.
Ich bin überzeugt, dass Führungskräfte viel stärker als Diagnostiker unterwegs sein müssen und sich damit beschäftigen sollten, welchen Reifegrad die Mitarbeiter haben. Heißt also: Es reicht nicht aus, dem Mitarbeiter ein Label zu verpassen und zu hoffen, dass ein Coaching alles richtet. Man wird sich mit den Mitarbeitern, ihren Stärken, ihrem Können und auch ihren Herausforderungen beschäftigen müssen.
- Improver erhalten ein verpflichtendes Coaching
Coaching ist Hilfe zur Selbsthilfe. Dumm nur, wenn der Klient auf diese Selbsthilfe keinen Bock hat. Vielleicht hilft die Druck-Komponente, vielleicht aber auch nicht. Ich sehe die Gefahr, dass ein solches Coaching erstmal die Wunden lecken muss, die ein Label „Improver“ verursacht hat. Coaching funktioniert dann am Besten, wenn der Klient ein klares Ziel vor Augen hat und dies eigenständig erreichen kann und will. Ein solches Modell klingt eher nach Nachhilfe als Selbsthilfe.
Soweit meine Einordnung zum möglichen neuen Bewertungssystem von SAP. Wie siehst DU das Thema? Kannst Du den Gruppierungen etwas abgewinnen oder dreht sich dir dabei bereits der Magen um? Schreib mir gerne, wie du das Thema wahrnimmst.
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